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Social-Media-Verbot für Lehrpersonen in Baden-Württemberg

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[J]egliche dienstliche Kommunikation auf oder mittels Sozialen Netzwerken sowohl zwischen Lehrkräften und Schülern als auch der Lehrkräfte untereinander [ist] unzulässig. Darunter fällt die Mailkommunikation innerhalb von Sozialen Netzwerken ebenso wie Chats, aber auch der dienstliche Austausch personenbezogener Daten wie das Mitteilen von Noten, ferner das Einrichten von Arbeits- und Lerngruppen zum Austausch von verschiedensten Materialien, die Vereinbarung schulischer Termine und Informationen zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen. Für alle diese Zwecke gibt es bereits Kommunikationswege, wie beispielsweise der konventionelle Schriftverkehr oder die Nutzung von verschlüsselten E-Mails einschlägiger Anbieter.

Diese Konkretisierung einer Anordnung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg bedeutet de facto ein Social-Media-Verbot für den schulischen Einsatz im Bundesland, wie das auch in anderen Bundesländern (Bayern, z.B.) bereits diskutiert wurde.

Die Begründung ist einleuchtend:

Generell ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen der schulischen Arbeit auf Sozialen Netzwerken von Anbietern unzulässig, soweit deren Server außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes betrieben werden, es sich um US-Amerikanische Unternehmen handelt oder ein Zugriff von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes möglich ist. Der Grund dafür ist, dass die dortigen Datenschutzstandards nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang stehen.

Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn es darum geht, »Funktionsweise, Vorteile, Nachteile, Risiken usw. pädagogisch aufzuarbeiten«, dann dürfen soziale Netzwerke genutzt werden – sofern Lernende schon bestehende Konten nutzen und keine neuen anlegen. Für alle Arten von Kommunikation und Datensicherung »gibt es bereits Kommunikationswege, wie beispielsweise der konventionelle Schriftverkehr oder die Nutzung von verschlüsselten E-Mails einschlägiger Anbieter«.

Die Argumentation ist überzeugend: Es gibt ein Datenschutzgesetz und eingesetzte Tools müssen damit vereinbar sein.

Allerdings tauchen dann einige Schwierigkeiten oder Inkonsistenzen auf:

  1. Kommunikation per EMail müsste verschlüsselt werden – empfohlen wird TrueCrypt für Anhänge bzw. diese Anleitung. Wie viele Lehrpersonen, Eltern und SchülerInnen kriegen das hin, per verschlüsselten EMails zu kommunizieren?
  2. Gibt es bei EMail ein Einverständnis der Eltern, dass personenbezogene Daten unverschlüsselt übermittelt werden dürfen, oder handelt es sich um eine »allgemeine Anfrage oder z. B. um eine bloße Terminabsprache, bei der die Antwort keine personenbezogenen oder sonstigen schützenswerten Daten enthält«, dürfen unverschlüsselte EMails genutzt werden. Warum aber keine Social-Media-Kanäle?
  3. Was unterscheidet schon angelegte Konten – die offenbar nicht geschützt werden können – von neu angelegten? Warum ist der Zeitpunkt oder die Motivation für die Anlage eines Kontos entscheidend?
  4. Wenn die »pädagogische Aufarbeitung« Vorteile von sozialen Netzwerken aufweist – wie begründet eine Lehrperson dann, dass die Schule diese Vorteile nicht nutzen kann?
  5. Wenn die »pädagogische Aufarbeitung« es erlaubt, Datenschutzbedenken weniger zu gewichten – warum dann nicht der Einsatz in der Schule?
  6. Es ist heute unklar, ob es überhaupt taugliche Wege gibt, Daten zu schützen, ohne dass »ein Zugriff von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes möglich ist«. De facto bedeutet der Entscheid, dass keine internetfähigen Geräte für die schulische Arbeit genutzt werden dürfen.

Fazit: So nachvollziehbar der Entscheid erscheint und so vorsichtig Lehrpersonen im Umgang mit sensiblen Daten im Internet sein sollen, so einseitig reflektiert die konkrete Umsetzung eine irrationale Aversion gegen Social Media. In Baden Württemberg werden weiterhin unsichere EMail-Systeme genutzt werden, um im pädagogischen Kontext zu kommunizieren. Das Verbot von Social Media scheint weder praktikabel noch verhältnismäßig.

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